Im zweiten Anlauf fand der Praxistag „Streuobstwiesen und alte Obstsorten“ an einem für das Datum ungewöhnlich warmen, sonnigen Spätherbsttag statt. Eine Gruppe von Mölltaler Streuobstwiesen-BesitzerInnen kam im Gemeindeamt Winklern zusammen, um sich von Wolfgang Ressi vom Umweltbüro und von Streuobstfachfrau Katharina Varadi-Dianat die Grundlagen und die Bedürfnisse von Streuobstwiesen nahebringen zu lassen.
Nach einer kurzen Präsentation der KLAR!-Maßnahme „Klimafitte Berglandwirtschaft“ übernahm Wolfgang die Vorstellung des Österreichischen Kuratoriums für Landtechnik und Landentwicklung (ÖKL), mit dem die Veranstaltung gemeinsam organisiert wurde. Er folgte mit einem überzeugenden Plädoyer für Biodiversität – einem Thema, das neben dem Klimawandel zunehmend an Bedeutung gewinnt. Land- und Forstwirte haben entscheidenden Einfluss auf die Biodiversität und beginnen in vielen Bereichen Handlungen zu setzen. Sie verbessern Lebensräume, legen Biodiversitätsflächen an und Bauen Nisthilfen. Biodiversität sorgt nicht nur für Stabilität in der Natur – sie ist auch das Fundament für eine Anpassung an den Klimawandel. Wolfgang betonte auch die Bedeutsamkeit der zweifach-Nutzung von Streuobstwiesen: Neben Heu und Gras können auf derselben Fläche auch Früchte und Holz geerntet werden. Durch die Kombination von Obstbäumen und Weidenutzung zählen Streuobstwiesen zu den artenreichsten, landwirtschaftlich geprägten Lebensräumen. Auch wenn Streuobstwiesen in den letzten Jahrzehnten einen starken Schwund erlebten, prägen sie die von Touristen so geliebte alpine Kulturlandschaft.
Wolfgang lud auch die anwesenden Bäuerinnen und Bauern ein, an der ÖPUL-Maßnahme „Naturschutzmonitoring“ teilzunehmen. Dabei zählen Landwirte & Landwirtinnen auf ihren Grundstücken auf Almen, Wiesen oder Weiden jedes Jahr gewisse Indikatorpflanzen wie Arnika oder Wiesensalbei. Österreichweit können insgesamt 3.000 LandwirtInnen teilnehmen, Voraussetzung ist die Anmeldung beim Mehrfachantrag bis 31. Dezember sowie die Teilnahme an den ÖPUL Maßnahmen UBB bzw. BIO.
Streuobstfachfrau Katharina begann mit den Grundlagen der Obstbaumbewirtschaftung. Abgesehen von der landwirtschaftlichen Nutzung und der reichen Biodiversität haben Streuobstwiesen das Potential für – verglichen mit der Arbeitsleistung – gute finanziellen Erträge. Der Pflegeaufwand ist relativ gering – Katharina rechnete vor, dass der Aufwand in 50 Jahren für Pflegeschnitte und Düngung bei rund 35 Stunden pro Baum liegt – es muss ja nicht jeder Baum jedes Jahr geschnitten werden. Wichtig sind die für die Region geeignete Sortenauswahl sowie die Auswahl der passenden Unterlage, auf die die ausgewählte Sorte veredelt ist. Für klassische Streuobstwiesen sollten Hochstammbäume auf Sämlingsunterlagen gewählt werden. Für Hausgärten sind Halbstamm-Pflanzen auf mittelstark wachsenden Unterlagen gut geeignet. Jedenfalls sollte beim Kauf von Pflanzen kompetente Beratung in Anspruch genommen werden.
Nach der Theorie folgte die Sortenbestimmung. Die TeilnehmerInnen hatten hauseigene Äpfel mitgebracht. Es zeigte sich, dass im Oberen Mölltal bereits eine große Anzahl ganz verschiedener Sorten vorhanden ist, darunter auch einige sehr alte Sorten. (siehe Fotos)
Im Anschluss an die Sortenbestimmung zeigte Katharina im Obstgarten den richtigen Schnitt und erklärte verschiedene Pflegemaßnahmen, auch was man bei Pilzbefall tun kann. Katharina betonte auch die Bedeutung der Klaräpfel – sie sind die „Befruchterbäume“ einer Streuobstweise, stellen wegen ihrer verlässlichen Blüte zum richtigen Zeitpunkt sehr viel Pollen bereit und eignen sich vorzüglich für Apfelchips. Und sie sind sehr reich an Vitamin C.
Wolfgang wiederum nahm einen recht alten Baum als anschauliches Beispiel, wie selbst langsam absterbende Bäume wichtig für die Biodiversität sind. Sie bieten Nischen und Höhlen für Fledermäuse, Vögel und Insekten, die wiederum für die Bestäubung notwendig sind.
Die anwesenden Landwirte und Landwirtinnen drückten den Wunsch aus, dass mehr Lehrveranstaltungen über Obstbaumschnitt und Obstbaumpflege im Oberen Mölltal stattfinden sollten.
Zur Information jede Menge Fotos, auch zu den Apfelsorten und:
Vortrag von Wolfgang Ressi über Biodiversität. Ressi Vortrag_27_10_2022
Vortrag Katharina Varadi- Dianat Varadi-Dianat Vortrag 27_10_22_ÖKL