Chancen gib es in der bäuerliche Vermarktung viele, auch die Möglichkeit, von den Erzeugnissen wieder leben zu können … Und eine Zeitwende wie diese, die gröbere Umwälzungen mit sich bringt, ist eine gute Zeit, sie zu ergreifen.

Klar-Teammitglied Melitta Fitzer begrüßte die anwesenden Direktvermarkter und Interessenten, und stellte die Klimawandelanpassungs- und Klima & Energie-Modellregion Nationalparkgemeinden Oberes Mölltal (Großkirchheim, Mörtschach und Winklern) und deren insgesamt 22 Maßnahmen vor, die in verschiedenen Bereichen der Information der Bevölkerung und der Weiterentwicklung der Region im Klimawandel dienen sollen.

Das Programm des Vormittags in einer lockeren Gesprächsrunde zwischen Information, sofortigen Nachfragen und Vorschlägen zur Weiterentwicklung von Seiten der Anwesenden:

  • die Spielregeln der Direktvermarktung
  • Best Practice Beispiele:
    • Traditioneller Direktvermarktungsbetrieb
    • Bauernmarkt Großkirchheim
    • Das Vereinsmodell der „Kostbarkeiten Maria Saal“
  • Initiativen und Vernetzungen in der Region
    • Nationalpark Hohe Tauern – Regionsprodukte
    • Habe & Brauche
  • Weitere Schritte

Als Erste gab Maria Luise Kaponig von der Landwirtschaftskammer Kärnten einen Einblick in die gesetzlichen Grundlagen der Direktvermarktung.  Sie startetet mit einer grundlegenden Erklärung: „Direktvermarktung ist die Vermarktung eigener Produkte an Konsumenten im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung.“   Auch die Freude am professionellen Herstellen von Nahrungsmittel  und der Wille zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung des Hofes, selbst wenn es mehr Arbeit bedeutet, ist wichtig. Und es braucht Eigenkontrolle und ausführliche Dokumentation, um gesunde  Nahrungsmittel – sei es vom Schwein, Rind, Gemüse oder Kräuter – zu einem angemessenen Preis herzustellen.

Ausbildungen in jedem Bereich der Direktvermarktung werden von der Landwirtschaftskammer angeboten: Hygieneschulungen, Allergenschulungen, Lebensmittelcodex, Etiketten, Weiterbildung in der Nahrungsmittelproduktion, etc..  Diese könnten bei Interesse auch im Oberen Mölltal anberaumt werden.

Direktvermarktung ist ein Nebengewerbe von ausschließlich land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, wobei mindestens 51% der Naturprodukte am Hof erzeugt werden müssen. Enorm wichtig ist die Eigenkontrolle in allen Phasen der Herstellung –  von der Qualität des Rohstoff (inklusive Wasseruntersuchungen) und der sauberen Herstellung bis zur Verpackung und Transport zum Konsumenten.

Dies wird auch kontrolliert: von der Lebensmittelaufsicht, dem Veterinär, bei Schnaps vom Zoll- und Eichamt, vom Finanzamt und von der Sozialversicherung.  Man sollte die Behörden aber nicht als „lästige Feinde“ wahrnehmen – denn sie sind helfen den Bauern & Bäuerinnen in ihrem Eigeninteresse, dass nichts passieren kann.

Im Bereich von Sozial- und Steuerrecht genießt der bäuerliche Betrieb schon Freiheiten.

Die Vermarktung von sogenannten „Urprodukten“, die nicht be- und verarbeitet wurden, stellt keine land- und forstwirtschaftliche Nebentätigkeit dar, liegt somit innerhalb der Vollpauschalierung und unterliegt daher auch keiner gesonderten Beitragspflicht. Bei be- oder verarbeiteten Produkten gibt es für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge einen jährlichen Freibetrag von € 3700,- , der zur Anwendung kommt. Hinzu werden bei den Umsätzen 70% als pauschale Betriebsausgaben abgezogen und der verbleibende Betrag dient dann der Berechnung als jährliche Beitragsgrundlage. Verglichen zum möglichen Einkommen eher geringfügig… Was zählt zur Urproduktion? Siehe Urprodukteverordnung im Anhang.

Steuerliche Aspekte gilt es zu beachten. Dr. Erich Moser, der Steuer-Fachmann der Landwirtschaftskammer, ist bereit, ins Obere Mölltal zu kommen, um in Einzelgesprächen mit den Bauern & Bäuerinnen die rechtliche und steuerliche Möglichkeiten für ihren Hof herauszufinden.

Maria Luise bemerkte, dass nach Jahrzehnten des Einzelkämpfertums im Oberen Mölltal einige Produzenten & Produzentinnen beginnen, sich auch außerhalb ihrer Höfe zu vernetzen und zu vermarkten. Wir sind jedoch noch weit davon entfernt, das vorhandene Potential auszuschöpfen.  Es besteht berechtigte Chancen, im Vollerwerb am Hof Produkte herzustellen.

Als nächstes wurden drei Modelle der Direktvermarktung besprochen: 

Toni Pichler vom Sagritzer Litzelhof stellte seine Selbstbedienungshütte am Hof  vor. Der Litzelhof ist ein Bio-Milchbetrieb im Vollerwerb. Neben dem Milchverkauf an die Kärntner Milch stellen sie Joghurt und mittlerweile sehr beliebten und weit bekannten Käse her – im Sommer auf der Alm, im Winter am Hof. Dass ihr Käse so ausgezeichnet ist, liegt auch an ihrer Ausbildung an der HBLA Rotholz, die sie jedem Käsemacher empfehlen. Dazu kommt noch die Produktion von Apfelsaft und Apfelmost.

Die Litzelhof Erzeugnisse findet man auf dem Döllacher Bauernmarkt und bei ADEG Döllach. 2020 bauten sie auf ihrem Hof einen Hofladen, einen hölzernen Zubau mit 24-Stunden-Zugang, in dem sie ihre Produkte anbieten. Mittlerweile haben sie sich mit anderen Bauern & Bäuerinnen der Region vernetzt: So bieten auch – auf eigene Verantwortung und für einen kleinen Betrag – Produzenten wie der Ederhof (Essig), der Rangersdorfer Biohof Leitner (Eier und Nudelprodukte) und die Winklerner Imkerei Fercher (Honig) ihre Produkte im Laden an. Auch ein Osttíroler Kartoffelbauer ist dabei.

Toni erzählte von seiner Erfahrungen mit dem Hofladen: die Besucherfrequenz hat sich verstärkt, vor allem auch durch die Touristen im Sommer und im Winter. Mit Diebstahl haben sie keine Probleme. Er fand auch, dass man den Käufern das Leben so einfach wie nur möglich machen muss. Deshalb haben sie auch kein Pfandsystem für die Gläser- die kommen trotzdem oft zurück.  Toni findet auch die Teilnahme an Produktprämierungen wichtig – alles, um die Erzeugnisse überregional bekannter zu machen. Denn die Kosten für die Untersuchungen sind recht hoch.  Deshalb ist auch ein eigener Verarbeitungsraum, der den gesetzlichen Lebensmittelvorgaben entspricht, extrem wichtig.

Produkte auf einem regelmäßig stattfindenden Bauernmarkt anzubieten ist ein anderes Vermarktungsmodell. Den Bauernmarkt Döllach gibt es bereits seit über 40 Jahren.  Er findet 5-mal im Jahr statt. Obfrau Daniela Grader aus Winklern, die selbst Milch, Fische, Selchwaren und Brot produziert, stellte den Verein vor. Er stellt nur die Stände gegen ein Gebühr von 30 Euro pro Jahr (oder 10 pro Markt) zur Verfügung und macht die Werbung. Auf dem Markt verkauft wird eine breite Palette von Backwaren, Milch, Fleisch- und Fischprodukten, Kräutern bis zum Kunsthandwerk. Als Besonderheit wird auch immer wieder die „Holzfällerspeise“ Munggn verkauft, mittlerweile eine Rarität im Oberen Mölltal und nur mehr in zwei, drei Höfen hergestellt. Der nächste Markt findet am 29.11. 2922 statt, danach am 3. Adventsamstag.

Bezüglich Bauernmärkte machte Franz Eder vom renovierten Wirtstadl Rangersdorf bekannt, dass der straßenseitige untere Stock des Wirtstadls auch für einen Bauernmarkt zur Verfügung stehen würde. Er lud die Anwesenden zu einem Besuch ein.

Sepp Aberger, Obmann der „Kostbarkeiten Maria Saal“, stellte ihr Vereinsmodell vor, in dem derzeit 20 Landwirte Mitglieder sind. Sepp und sein Frau sind Vollerwerbsbauern mit Rinderzucht und Ackerbau. Die Idee zu einem gemeinsamen Hofladen an einem Ort mit großer Besucherfrequenz  kam ihm, als er beobachtete, dass während der Pandemie zwar dauernd von regionalen Produkten gesprochen wurde, die Käufer jedoch – vielleicht wegen der Einfachheit – trotzdem zu Hofer gingen. 2020 wurde ein Baucontainer zu einem Laden  umgebaut, mit Umluftkühlgeräten und Klimaanlage. Zu Beginn von nur 10 Bauern & Bäuerinnen bestückt, bieten nun 20 Bauern & Bäuerinnen ein Sortiment von 400 regionalen Produkten an. In den zweieinhalb Jahren seit der Eröffnung wurden fast 60,000 Einzelprodukte verkauft. Im Durchschnitt gibt es 25 Einkäufe pro Tag mit durchschnittlich 3 Produkten pro Einkauf.

Angeboten werden neben Milch, Käse und Fleischprodukten auch Rindssuppe, bäuerliche Backwaren (Kuchen, die der Jahreszeit entsprechen) und Kunsthandwerk.  Die Zulieferer kommen von jeder Art der bäuerlichen Tätigkeit – vom Vollerwerbsbauer bis zu der häuslichen Nebentätigkeit im Rahmen des Hausstandes, die aber mehr als 50% Eigenprodukt verarbeiten.

Der Verein stellt nur die Räumlichkeiten, die 24 Stunden lang offen sind, zur Verfügung. Käufer müssen die Produkte in Listen eintragen und das Geld in den Tresor geben. Die Arbeit der wöchentlichen Abrechnung und Überweisung macht eine stundenweise bezahlte Person. Sie überwacht auch per Handy die Sicherheit des Ladens. 4 Kameras beobachten den Raum, die über Handy auch den Bauern & Bäuerinnen zum Prüfen ihrer Bestände dienlich sind. Nach anfänglichen Diebstählen, die sofort behördlich verfolgt wurden, hat sich dies herumgesprochen und die finanziellen Verluste durch Diebstahl in den 2 ½ Jahren sind minimal.

Der Verein verrechnet den Bauern & Bäuerinnen 10% des Einkommens: davon gehen 5½ % in die Bewirtschaftung (Arbeits- und Energiekosten – in diesen Zeiten können die Energiekosten trotz sorgfältig ausgewählten Geräten EUR 3000/Jahr betragen), der Rest in Investitionen.

Sepp sprach auch offen über die Vor- und Nachteile des Modells. Der Nachteil: viele Mitglieder mit manchmal divergierender Meinung. Die Vorteile überwiegen jedoch bei weitem: der Laden wurde zum sozialen Anziehungspunkt in der Gemeinde; durch die öffentliche Stelle  erhalten die Produkte „ein Gesicht“ und erzeugen Freunde und Freude an den eigen Produkten.  Auch die Bauern & Bäuerinnen, früher Konkurrenten, entwickelten Gemeinschaftlichkeit und Zusammengehörigkeitsgefühle.   Nun können einige Bauern & Bäuerinnen davon ohne Nebenerwerb leben.

Wichtig sei die Gestaltung der Produktpalette.  Die Erfahrung zeigte, dass trotz anfänglicher Befürchtungen  der Laden die Käuferfrequenz auf den Höfen selbst nicht reduzierte – er gewann eine neue Käufergruppe.

Im Gespräch mit den Anwesenden wurde auch über Preisgestaltung geredet, die der Arbeitsleistung gerecht wird, aber nicht unverschämt  überhöht ist.

Auch die ständig notwendige Erweiterung der Produktpalette und die Entwicklung neuer Produktlinien wurde besprochen: so brachte Sepp Aberger Schafwollpellets der Firma Ecolets mit, ein Dünger zur Verbesserung des Gemüseanbaus im Garten etc.

Ein Thema war die der Produktion von Lebensmittel gewidmeten Räumlichkeiten. Hier sprach Sepp über die vielen Vorteile – für Kontrollen wie für die ungestörte und zielgerechte Arbeitsmöglichkeit –  gegenüber den relativ geringen Bau- und/oder Adaptierungskosten.

Danach folgte die Präsentation zweier Marketing Hilfsmittel, die Zertifizierung von Nationalpark Hohe Tauern Regionsprodukte und die Webseite-in-Arbeit „Habe-Brauche“.

Gerald Hofer vom Nationalpark Hohe Tauern in Kärnten sprach über die Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Hohe Tauern Tirol, die die Zertifizierung „Nationalpark Hohe Tauern Regionsprodukte“ entwickelt haben und bereits über 16 Tiroler Produkte & Höfe  zertifiziert haben. In Kärnten wurde bisher nur der Bauernladen Walter in Obervellach zertifiziert. Die Nationalparkdirektion möchte das Programm stärker in den 7 Nationalparkgemeinden in Kärnten einsetzen.  Es könnte neben Lebensmittel („die Region schmecken“) auch Kunsthandwerk (z.B. Sturmarchehofs Hirschhornknöpfe) einschließen.

Die Präsentation löste großes Interesse unter den Anwesenden aus, wobei auch Wünsche laut wurden:  das Programm sollte starken Wert auf Exklusivität legen, also nur Produkte zertifizieren, die zu 100% in den Nationalparkgemeinden hergestellt werden – und so das Edle der Produkte anpreisen. Auch die Form der Kennzeichnung wurde diskutiert: wird noch ein Pickerl auf den Produkten nicht eins zu viel sein? Der Teilnahmepreis (derzeit € 100/Jahr für Werbekosten, Webseite und Messe-Teilnahmen) erschien einigen hoch. Es wurde auch vorgeschlagen, in den Giftshops des Steinbockhaus Heiligenblut, des Besucherzentrum Mallnitz und in Malta eine Vitrine mit den zertifizierten Produkten zu betreiben.

Paula Müllmann von der Mölltal-Drautal Tourismusregion „Hohe Tauern die Nationalparkregion in Kärnten GmbH.“ hat eine im KEM-Labor des Forum Anthropozäns 2022 entwickelte Idee aufgegriffen und weiterentwickelt. Da sie nicht anwesend sein konnte, präsentierte Melitta Fitzer das Programm „Habe-Brauche“, das im ersten Halbjahr 2023 online gehen soll – die digitale Vernetzung von Produzenten (Landwirte, Fischer, Jäger, etc.) mit touristischen Betrieben und Privatverbrauchern.

Auf einer kostenlosen Webseite, die auch übers Handy einfach zu bedienen sein wird, kann ein Bauer seine/ihre Waren anbieten (“Habe am Donnerstag Lammfleisch“).  Konsumenten –  Touristiker oder auch Private –  können dann mit dem Produzenten in Verbindung treten.  Auf der anderen Seite kann ein Hotelkoch fragen: „Ich will nächste Woche Lammwoche machen. Wer kann es mir liefern?“  Der registrierte Teilnehmer bekommt dann Nachrichten zugeschickt.

„Habe – Brauche“ ist ausschließlich der Vernetzung von Erzeuger und Käufer gewidmet. Es ist keine Handelsplattform, daher auch keine Bezahlungsplattform, und macht keine Vorschriften oder Einschränkungen für die Produkte: der Erzeuger ist weiterhin eigenverantwortlich.

Weitere Schritte:

Melitta Fitzer bat die Anwesenden, die Informationen des Vormittags auch unter ihren befreundeten Bauern & Bäuerinnen zu verbreiten. Sie hofft auf weitere Zusammenkünfte, um gemeinsam die Direktvermarktung in der Region weiterzuentwickeln.

Bei Interesse bezüglich der Programmpunkte, hier die Kontakte zu:

  • Hofladen Litzelhof:Kathrin Pichler +43 664 4123512 oder info@litzelhof.com
  • Döllacher Bauernmarkt:Daniela Grader +43 650 683 9577 oder danielagrader@hotmail.com
  • Wirtstadl Rangersdorf:Franz Eder +43 664 944 2660
  • Kostbarkeiten Maria Saal: Sepp Aberger   sandra.aberger@drei.at
  • Nationalpark Hohe Tauern Regionsprodukte: Gerald Hofer +43 4825 6161 808 oder hofer@ktn.gv.at
  • „Habe-Brauche“ Interessenten können sich schon jetzt bei Paula Müllmann (muellmann@nationalpark-hohetauern.at) oder KLAR & KEM-Managerin Sabine Seidler (kem.seidler@anlpine-nature-campus.com) anmelden.
  • Maria Luise Kaponig stellte in Aussicht, dass neben der steuerlichen Beratung durch Dr. Moser weitere Schulungen im Oberen Mölltal stattfinden könnten. Bei Interesse: maria-luise.kaponig@lk-kaernten.at oder +43 463 5850 3740
  • Bauern und Bäuerinnen haben auch die Möglichkeit, kostenlos Beratungstermine in der Außenstelle Winklern zu vereinbaren: 0463/5850-3811
  • Und für Nachrichten über weitere KLAR! oder KEM-Veranstaltungen, bitte eine kurze Nachricht an klar@alpine-nature-campus.com oder Sabine Seidler +43 664 450 9513. Oder am ersten Montag des Monats im Klimaafe im ehemaligen Kloster Döllach vorbeikommen.

Hier findet ihr die wichtigsten Unterlagen der Veranstaltung zum Downloaden:

– Bauernmarkt Döllach  BAUERNMARKT
– Kostbarkeiten Maria Saal PowerPointKostbarkeitenAberger
– Urprodukteverordnung Urprodukteverordnung
– Informationen vom Nationalpark Hohe Tauern Erstinformation, Kooperationsvereinbarung, Antragsformular,Projektinformation